Generationenbarometer 2025
- karinburkhard
- 5. Juni
- 5 Min. Lesezeit
Interview mit Lisa Frisch, Projektleiterin Sotomo
1. Was ist das Generationenbarometer und welches Ziel verfolgt es?
Das Generationenbarometer bildet seit 2020 ab, was Jung und Alt bewegt. Im Auftrag des Berner Generationenhauses, einer Institution der Burgergemeinde Bern, führt Sotomo nun schon zum vierten Mal eine repräsentative Bevölkerungsbefragung
durch, um den Puls der Generationen zu spüren. Wie zufrieden ist die Schweizer Bevölkerung und wie optimistisch blickt sie in die Zukunft? Wo driften Jung und Alt auseinander und wo finden sich Gemeinsamkeiten? Und wie steht es um das Generationenversprechen, gemäss dem es jeder neuen Generation etwas besser gehen soll? Auf diese und mehr Fragen will das Generationenbarometer
regelmässig Antworten geben.
2. Welche überraschenden Erkenntnisse haben sich aus den aktuellen Ergebnissen ergeben?
In der Schweizer Bevölkerung spitzen sich die Gegensätze aus einer breiten Lebenszufriedenheit und einem ausgeprägten Zukunftspessimismus weiter zu.
87 Prozent der Befragten geben an, mit ihrem Leben eher oder sehr zufrieden zu
sein. Gleichzeitig blicken 71 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer pessimistisch
auf das Jahr 2055. Dabei gilt, je älter, desto zufriedener sind die Menschen mit ihrem Leben und je jünger, desto pessimistischer blicken sie in die Zukunft.
Erstaunlich ist dabei, dass besonders die unter 35-Jährigen immer stärker den Eindruck verlieren, sie könnten politisch und gesellschaftlich mitgestalten. Sagten
im Jahr 2022 noch 73 Prozent, dass sie nur einen kleinen Einfluss auf die zukünftige
Gestaltung der Gesellschaft hätten, sind es dieses Jahr schon 88 Prozent. Das Gefühl, etwas bewirken zu können, ist eine wichtige Basis für die eigene Zufriedenheit.
Zumindest in Bezug auf die Gesellschaft fehlt dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit gerade bei jungen Erwachsenen.
3. Wie beeinflussen globale und gesellschaftliche Krisen das Miteinander der Generationen?
Globale Krisen drücken momentan massiv auf die Stimmung. 74 Prozent der Befragten nennen die politische Lage und das Weltgeschehen als Quelle ihrer
Unzufriedenheit. Zudem werden Kriege, etwa ein Angriff auf ein EU-Land in naher
Zukunft von mehr als einem Drittel als wahrscheinlich eingestuft. Lange Zeit gab
man sich von Generation zu Generation das Versprechen, den Jüngeren solle es
einmal besser gehen als den Älteren. Dieses Generationenversprechen scheint
also auch wegen der globalen Krisen brüchig zu werden. Das spiegelt sich in
der Kluft zwischen den Generationen wider: Seit 2021 nimmt in der Bevölkerung
das Gefühl stetig zu, dass Jung und Alt auseinanderdriften. Waren es 2021
noch 21 Prozent der Befragten, denen der Generationengraben Sorgen bereitete, so
sind es heute schon 31 Prozent.
Welche Rolle spielen die sozialen Medien bei der Kluft zwischen Jung und Alt?
Soziale Medien spielen eine grosse Rolle, auch weil sie von den Jüngeren deutlich stärker genutzt werden als von älteren Personen. Dadurch bewegen sich die
Generationen in sehr unterschiedlichen Filterblasen, die sie auf andere Arten
informieren und sozialisieren. Bei der Frage, wie man mit den sozialen Medien
umgehen soll, sind sich die Generationen aber überraschend einig: Alle Generationen würden mehrheitlich einem Tiktok-Verbot in der Schweiz zustimmen. Einem Handyverbot an Schulen würden 82 Prozent der Befragten zustimmen.
Hier zeigt sich in allen Altersklassen eine wachsende gesellschaftliche Sensibilität
gegenüber den Risiken digitaler Plattformen.
Was können Wirtschaft und Unternehmen aus den Daten des Generationenbarometers lernen?

Die Daten zeigen, was uns bei der Arbeit wichtig ist. Arbeit bedeutet für viele in
erster Linie finanzielle Sicherheit – ein entscheidender Grund, überhaupt einer
Erwerbstätigkeit nachzugehen. Doch sobald dieser Aspekt gewährleistet ist,
gewinnen immaterielle Faktoren wie Gemeinschaft und Sinnhaftigkeit am
Arbeitsplatz unter allen Generationen an Bedeutung. Diese Werte prägen auch die Definition von beruflichem Erfolg, der heute weniger durch traditionelle
Symbole wie Macht, Status oder Ein-kommen, sondern vielmehr durch die Freude an der Tätigkeit selbst und ihren Sinngehalt bestimmt wird. Gleichzeitig zeigt sich, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oft schwierig ist. Besonders Menschen im mittleren Alter – jener Lebensphase, in der berufliche Ambitionen und familiäre Verpflichtungen häufig miteinander konkurrieren – äussern sich kritisch über ihre Work-Life-Balance: Rund ein Drittel ist damit unzufrieden. Interessanterweise ist der Wunsch nach einem besseren Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben also keine primäre Forderung der jüngeren Generation. Vielmehr wird dieses Thema in jenen Lebensjahren zentral, in denen familiäre Verantwortung an Bedeutung gewinnt.
Für Schweizerinnen und Schweizer ist Arbeit also nicht nur eine wirtschaftliche
Notwendigkeit, sondern auch ein zentraler Teil des individuellen Lebenssinns –
ein Aspekt, der für verschiedene Lebensphasen jeweils unterschiedliche
Herausforderungen und Prioritäten mit sich bringt. Unternehmen können ihre
Kultur und Arbeitsbedingungen anpassen, um Mitarbeitende in verschiedenen
Lebensphasen zu unterstützen und langfristig zu binden.
Welche Altersgruppe fühlt sich aktuell am wenigsten gehört – ist Altersdiskriminierung in der Schweiz ein Thema?
Altersdiskriminierung, also das Gefühl, wegen des eigenen Alters benachteiligt zu
werden, ist ein sensibles Thema – ganz besonders auf Arbeit. Interessant ist
dabei, dass Jung und Alt ähnlich häufig betroffen sind, allerdings auf unter schiedliche Art und Weise: Bei den jüngeren Generationen geht es eher darum, nicht ernst genommen zu werden, sie berichten von dem Gefühl, dass an ihren Fähigkeiten gezweifelt wird oder sie vorverurteilt werden. Die älteren Generationen machen häufiger die Erfahrung, weniger Wertschätzung für ihre Arbeit zu bekommen, oder wegen ihres Alters für eine Stelle nicht berücksichtigt zu werden. Grundsätzlich berichten aber die Jüngeren von diverseren und häufigeren Erfahrungen mit Altersdiskriminierung am Arbeitsplatz, als Ältere dies tun.
Die Bevölkerung wird älter, immer mehr gehen in Pension, immer weniger neue Arbeitskräfte kommen auf den Arbeitsmarkt. Wie können wir auch zukünftig die Altersvorsorge sichern?
Das Thema der Altersvorsorge spiegelt die Spannungen zwischen Jung und Alt wider
und stellt die Frage nach Solidarität und Fairness zwischen den Generationen. Wir
haben verschiedene Reformvorschläge untersucht. Die Einführung einer Lebensarbeitszeit, bei der die Dauer der Erwerbstätigkeit anstelle eines festen Rentenalters zählt, findet dabei mehrheitlich Unterstützung (63 %). Allerdings variieren die Meinungen zwischen den Generationen stark: Während 73 Prozent der
über 55-Jährigen zustimmen, zeigen nur 47 Prozent der 18- bis 35-Jährigen Unterstützung.
Interessanterweise unterschätzen die heutigen Jungen, wie positiv
Arbeit im Alter erlebt werden kann. Während sie sich vor fehlender Energie
oder gesundheitlichen Problemen fürchten, zeigen ältere Generationen, dass Freude an der Tätigkeit, soziale Einbindung und mentale Fitness starke Motivatoren sind, auch nach der Pensionierung weiterzuarbeiten. Diese unterschiedlichen
Wahrnehmungen zwischen Jung und Alt erschweren Reformen, die angesichts der alternden Gesellschaft dringend notwendig wären.
Zum Schluss noch eine positive Botschaft: Worüber sind sich Jung und Alt einig?

In gewissen Bereichen sind sich die Generationen ähnlicher, als es der
momentane Diskurs vermuten liessen. Auf die Frage, was zur eigenen Zufriedenheit
beiträgt, finden Jung und Alt, dass dies ganz besonders Freundschaften und soziale Kontakte tun. Auch im Job werden Werte geteilt: Alle Generationen sind sich
einig, dass sie am Arbeitsplatz einen guten Teamgeist und eine sinnstiftende
Tätigkeit nicht vermissen wollen. In diesem Sinne sind Jung und Alt bereit für
gemeinsame Projekte!
9. Wie geht es mit dem Generationenbarometer weiter – was sind die nächstenSchritte?
Das Berner Generationenhaus hat das nächste Generationenbarometer für das
Jahr 2027 geplant, die Erhebung startet voraussichtlich im Herbst 2026.
Herzlichen Dank liebe Lisa, dass du diese spannenden Erkenntnisse mit uns teilst.
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