In einer Welt, die sich ständig verändert und weiterentwickelt, stehen Berufsschulen vor der Herausforderung, ihre Schüler:innen nicht nur fachlich, sondern auch individuell und persönlich zu fördern. Die Beratung an Berufsschulen spielt dabei eine zentrale Rolle. Sie ist nicht nur ein unterstützendes Element im Bildungsprozess, sondern auch ein Schlüssel zu erfolgreichem Lernen und späterem beruflichen Erfolg. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die Bedeutung der Beratung an Berufsschulen und erhalten wertvolle Einblicke von unseren Schulen BFB, bsd.bern, bwd, WKS KV Bildung und der Wirtschaftsschule Thun.
Interview mit Anna Sutter, Verantwortliche unterstützende Massnahmen und Abteilungsleiterin Weiterbildung, BFB – Bildung Formation Biel-Bienne.

Wie unterstützen und beraten Sie Ihre Lernenden während der Lehre in der Berufsschule?
Beratung und Unterstützung ist dann am gewinnbringendsten, wenn sie einfach zugänglich ist und auch genützt wird. Bei uns können sich Lernende, die ein Coaching, respektive eine Beratung wünschen, direkt per Mail einen Termin erhalten. Meist ist die erste Ansprechperson aber der oder die Klassenlehrer:in oder die Lehrperson ihres Vertrauens, welche den Lernenden zuhört und sie falls nötig ans Coachingteam vermittelt. Es ist wichtig, dass die Lernenden unsere Schule als einen Ort wahrnehmen, wo sie gehört werden und sich ernst genommen fühlen. Nur wenn sie der Institution und den Menschen, die hier arbeiten, vertrauen, sind sie bereit, über ihre Sorgen, ob schulisch, beruflich oder privat zu sprechen und Beratung und Unterstützung anzunehmen.
Wie unterstützen und beraten Sie Lehrpersonen während der Lehre?
Lehrpersonen sind pro Klasse in einer Equipe pédagogique via TEAMS organisiert, sie können sich bei schwierigen Situationen gegenseitig unterstützen, oder auch Unterstützung von der Schulleitung erhalten. Lehrperson können Lernenden in Schwierigkeiten ein Coaching nahelegen. Bei schwierigen Gruppensituationen ist es hingegen wichtig, dass alle Beteiligten am gleichen Strick ziehen.
Welche Unterstützung und Beratung beziehen Sie als Schulleitung?
Wenn angezeigt arbeiten wir mit Fachstellen zusammen oder stellen den Kontakt zu diesen her. Letztes Jahr konnten wir auch einen Teil des Kollegiums zum Thema Depression sensibilisieren. Als Schule haben wir auch eine Arbeitsgruppe, Option santé, die sich mit Themen rund um Betriebliches Gesundheitsmanagement auseinandersetzt und Massnahmen einleitet. Seit der Pandemie haben wir eine Zunahme von Lernenden mit psychischen Schwierigkeiten festgestellt. Falls dieser Trend anhält, was leider anzunehmen ist, braucht es in Zukunft mehr interne oder externe Ressourcen.
Wie unterstützen und beraten Sie Lernende in ihrem Abschlussjahr?
Im Abschlussjahr haben viele Lernende den Fokus aufs QV gerichtet und die Zeit danach scheint in weiter Ferne. Glücklicherweise gewichtet der handlungskompetenzorientierte Unterricht Persönlichkeitsentwicklung und den Übergang ins Berufs- und Erwachsenenleben heute stärker und richtet so den Blick gewollt auch auf die Zeit nach der Ausbildung. Für die Berufsmaturandinnen und Berufsmaturanden organisieren wir zudem einen Zukunftstag, an welchem Fachhochschulen ihre Studiengänge vorstellen können.

Wenn Unterstützung nötig ist
Text: bsd. Bern, Ursula Stauffacher
Seit Jahren steht die bsd.-Beratungsstelle allen Lernenden offen. Themen in diesem etablierten Gefäss sind oft Konflikte im Lehrbetrieb oder in der Familie, aber auch Beziehungsprobleme oder gar Gewalt. Manchmal hilft ein Tipp der Profis. Bei grösseren Problemen agiert das Beratungsteam als Triagestelle und weist die Lernenden an externe Stellen weiter.
Da sich in letzter Zeit vermehrt Lernende mit Lernschwierigkeiten an die Beratungsstelle wandten, hat die bsd. eine Lernberatung eingeführt. Dort werden Lernmuster hinterfragt, Lerntechniken ausprobiert und geübt. Das Lerncoaching kann individuell oder in Kleingruppen besucht werden und ergänzt nicht nur das Beratungsangebot, sondern auch die Stütz- und Förderkurse, in welchen ebenfalls Strategien für das eigene Lernen thematisiert werden.
Seit Kurzem unterstützt zudem eine Interventionsstelle Lehrpersonen bei Problemen in der Klasse. Streit, Mobbing oder Stören des Unterrichts sind nur einige Beispiele, weshalb sich Lehrpersonen an die neue Kollegin wenden. Die Aussensicht der Beraterin ist willkommen und hilfreich. Im besten Fall werden Konflikte frühzeitig erkannt und Lösungen gefunden, die zu einer entspannten Lernatmosphäre führen. Die Grenzen zwischen den Beratungsstellen können nicht immer klar gezogen werden. Durch die enge Zusammenarbeit der Beratenden können die Ressourcen jedoch zielführend genutzt und Mehrfachbetreuungen vermieden werden.


Beratung & Unterstützung am bwd
Text: Raymond Anliker und Marco Giovannacci
Wie unterstützen und beraten Sie Ihre Lernenden während der Lehre in der Berufsschule?
Am bwd bilden wir Kaufleute an der KBS betrieblich organisiert und an der WMB schulisch organisiert aus. Entsprechend gibt es Unterschiede in den Unterstützungs- und Beratungssystemen.
WMB: Mit der KV-Reform werden auch die Unterstützungs- und Beratungsangebote ausgebaut. Intern ist die Klassenlehrperson eine wichtige erste Ansprechperson, da die Lernenden mit der WMB in den ersten drei Jahren eine vollschulische Ausbildung absolvieren. Mit der Startsequenz «Wie lerne ich?» werden mit 5x2 Lektionen diverse Themen rund ums Lernen angesprochen. Ab Oktober wird jeweils ein individuelles Lern-Coaching angeboten; fachlich werden die Lernenden durch drei-bis fünfwöchige Fachkursateliers unterstützt, welche passgenau auf den Stoffplan ausgerichtet sind.
Für komplexere Problemsituationen steht der Jugendpsychologische Beratungsdienst der Erziehungsberatung zur Verfügung, wo die Lernenden individuelle Termine mit einem eigens der WMB zugeteilten Psychologen vereinbaren können.
Im Aufbau ist zudem ein niederschwelliges internes Beratungsangebot mit entsprechend ausgebildeten Lehrpersonen, um im Schulalltag schneller auf Probleme, Sorgen und Anliegen reagieren zu können.
KBS: Seit August 2023 übernehmen die Fachlehrpersonen neu auch die Rolle der Lernbegleitung, das heisst, sie sind erste Ansprechperson der ihnen zugeteilten Lernenden, mit denen sie regelmässig Lerngespräche führen. Bei den Sportklassen steht im 2. und 3. Semester zusätzlich eine Beratungsperson im Einsatz, wenn Lernende Unterstützungsbedarf in Bezug auf Lernstrategien haben oder die verschiedenen Lernorte und den Sport noch nicht richtig und einen Hut bringen. Die Tatsache, dass wir eng mit den Lehrbetrieben zusammenarbeiten, ermöglicht es, frühzeitig zu reagieren und wo nötig die passende Unterstützung zu bieten.
Alle Lernenden der KBS dürfen zudem die Beratungsstelle der gibb in Anspruch nehmen, ein niederschwelliges Angebot, das für die Lernenden freiwillig, vertraulich und kostenlos ist.
Wie unterstützen und beraten Sie Lehrpersonen während der Lehre?
WMB: In regelmässig stattfindenden pädagogischen Klassenkonferenzen werden herausfordernde Situationen und mögliche Lösungsansätze besprochen und vereinbart, die Schulleitung ist mit dabei und unterstützt bei der Umsetzung. Lehrpersonen können sich zudem auch vom jugendpsychologischen Beratungsdienst unterstützen lassen.
KBS: Anlässlich von schulinternen Weiterbildungen und Supervision werden Situation aus dem Schulalltag besprochen. bwd: Wir bauen aktuell ein betriebliches Gesundheitsmanagement auf und bieten dazu im November einen gemeinsamen Workshop für alle kaufmännischen Berufsfachschulen an.
Welche Unterstützung und Beratung beziehen Sie als Rektorin/Rektor resp. aus Sicht Bildungsinstitution?
Wichtig ist uns der regelmässige interne und externe Austausch über aktuelle und kommende Herausforderungen. Die Grundbildungsschulleitungen treffen sich regelmässig zum Austausch. Die extern eingekauften Beratungsangebote stehen auch den Schulleitungsmitgliedern offen. In diversen kantonalen Fachkonferenzen werden immer auch aktuelle Themen und Herausforderungen besprochen.
Wie unterstützen und beraten Sie Lernende in ihrem Abschlussjahr?
WMB: Im 4. Ausbildungsjahr arbeiten die Lernenden zu 100% im Praktikumsbetrieb. Deshalb haben wir im 3. Jahr Informationsanlässe zum Übergang ins Berufs- und Studienleben angesetzt.
KBS: Wir bieten den Lernenden Informationsanlässe zum Übergang ins Berufsleben; Schulleitung und Lernbegleitung sind über die ganze Ausbildungszeit hinweg immer auch ansprechbar bei Fragen, auch was die persönliche Weiterentwicklung angeht.

Niederschwellige Hilfe ist entscheidend
Text: Lilly Toriola, Kommunikationsverantwortliche Wirtschaftsschule Thun
Die Wirtschaftsschule Thun (WST) bietet seit über 30 Jahren mit der Beratungsstelle «F1» Unterstützung für Lernende und Mitarbeitende in herausfordernden Situationen. Wie wichtig niederschwellige Hilfe für Betroffene ist, weiss der ehemalige WST-Absolvent Damian Jutzi aus eigener Erfahrung.

Damian Jutzi hat 2019 «ZETA Movement» gegründet, ein Projekt für junge Menschen, das den Kreislauf der Stigmatisierung und des Schweigens im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen durchbrechen will. Der Verein leistet an Schulen und Jugendinstitutionen Aufklärungsarbeit, indem Betroffene von ihren Erfahrungen mit psychischen Krisen erzählen. Der ehemalige WST-Absolvent Damian Jutzi litt während seiner Lehrzeit selber unter psychischen Problemen, die schliesslich zum Lehrabbruch und einem stationären Aufenthalt führten. Nach anderthalb Jahren Unterbruch begann der Schönrieder nochmals eine KV-Lehre und schloss im Anschluss auch die BM 2 an der WST erfolgreich ab. Eine wichtige Stütze waren in dieser Zeit die Berater:innen der WST-Beratungsstelle «F1»: «Psychische Probleme sind in unserer Gesellschaft, trotz gestiegener Sensibilität, immer noch ein Tabu-Thema. Es war für mich deshalb sehr wichtig, offen über Probleme reden zu können», sagt der 28-Jährige heute.
Aus seiner persönlichen Erfahrung entstand schliesslich auch die Idee zu «ZETA Movement»: «Das Jugendalter ist eine sehr vulnerable Phase. Heute wird viel Präventionsarbeit im Bereich Drogen geleistet. Dieselbe Aufmerksamkeit sollte auch das Thema psychische Gesundheit haben.» Dabei würden niederschwellige Angebote wie das «F1» an der WST, Informationskampagnen oder eben Angebote wie jenes von «ZETA» helfen. ZETA Movement bietet an Oberstufenschulen, Berufsfachschulen, Gymnasien und Jugendinstitutionen kostenlose Workshops an, in denen Betroffene offen über ihre eigenen Erfahrungen mit dem Thema psychische Gesundheit sprechen. «Dadurch wird ein Rahmen geschaffen, in dem sich junge Menschen eher trauen, über solche Themen zu sprechen.» Dass das Angebot einem echten Bedürfnis entspricht, zeigt der Erfolg von ZETA Movement: Mittlerweile übersteigt die Nachfrage die Kapazitäten der ZETAAmbassador:innen, die allesamt ehrenamtlich tätig sind. ZETA konnte zudem viele namhafte Partner gewinnen wie die Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD) oder das Berner Bündnis gegen Depressionen.
Mehr Infos unter www.wst.ch/beratungsdienst-f1 und www.zetamovement.com

Unterstützung für Erfolg und Wohlbefinden
Text: Monika Leuenberger in Zusammenarbeit mit Anna Bolliger und Roland Zogg
Unsere Angebote für Lernende
An der WKS KV Bildung steht den Lernenden ein breites Beratungs- und Unterstützungsangebot zur Verfügung, das ihnen in schwierigen Situationen, bei zwischenmenschlichen Konflikten, Prüfungsangst oder schlechten Noten hilft. Zwei zentrale Angebote sind das Beratungsangebot plan.b sowie die Lernberatung. Das Beratungsangebot plan.b ermöglicht es, schnell und unkompliziert Termine mit einer Sozialpädagogin zu vereinbaren, um sich im geschützten Rahmen ohne Angst vor Konsequenzen zu öffnen.
In der Lernberatung wird individuell auf die Lern- und Ausbildungssituation eingegangen, um Lösungen zu finden. Zusätzlich gibt es Freikurse zu Stressbewältigung und Lernorganisation sowie Kurse zur mentalen Gesundheit. Für Abgänger:innen bietet die WKS ein Laufbahnmentoring zur Unterstützung beim Übergang ins Berufsleben an.

Unser Angebot für Mitarbeitende und Lehrpersonen
Das interne Coachingnetzwerk der WKS KV Bildung unterstützt Lehrpersonen und Mitarbeitende bei Herausforderungen im Unterricht, im Umgang mit verschiedenen Anspruchsgruppen und allgemeinen beruflichen Fragestellungen. Die vertraulichen Gespräche mit qualifizierten Coaches helfen, neue Handlungsalternativen zu entwickeln und das Denken und Handeln anzupassen. Coaching wird als Weiterbildung verstanden und fördert die Reflexionsfähigkeit sowie die berufliche Weiterentwicklung. Auch präventiv kann Coaching genutzt werden. Bei gesundheitlichen oder anderen Herausforderungen vermitteln wir externe Fachstellen.
Herzlichen Dank für diese inspirierenden Beiträge.
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